Mittwoch, 31. Dezember 2008

Uva-Ernte auf der Sitio

Gestern nach der Ferienfreizeit sind wir noch gemeinsam mit Laudiceia und Bosco auf die Sitio gefahren. Eine Sitio ist eine Art Farm. Die de Souza Farm ist an einen Bauer verpachtet und dieser kuemmert sich mit seiner Familie um das Anwesen und die Tiere. Speziell werden hier Huehner gross gezogen. In zwei Zuchtanlagen werden momentan 13000 davon gemaestet. Sie werden von einem Zuchtbetrieb angeliefert und grossteils auch versorgt. Transportkosten und Medizin, Impfungen und Futter werden bezahlt, einzig Wasser, Holz und Strom muessen aufgebracht werden. Nach 45 Tagen werden die ausgewachsenen Tiere zum Schlachten abgeholt. Jedes gesunde Tier bringt dann in etwa 30 Centavos, das sind umgerechnet ca. 10 Cent. Hoppla.
30 % vom Gewinn gehen an den Farmer. Alles klar?
Des Weiteren werden noch Schweine gehalten und es gibt noch einen Weiher zum Fischen.
Was auch noch auf der Sitio massig waechst sind Fruechte verschiedender Sorten. Granatapfel, Bananen, Mango, Orangen, Uva (Trauben) und noch viel mehr. Innerhalb kuerzester Zeit haben wir gestern noch einige Kilo Trauben geerntet. Nach einem kurzen Regenschauer war das Klima sichtlich angenehm zum Arbeiten. Nachteil war aber, dass die Rote Erde sich in mein Schuhprofil reingefressen hat und jeder Schritt fuehlte sich an als waeren meine Schuhe mit Beton ausgegossen. Nachdem wir noch die Fische gefuettert haben sind wir wieder nach Hause gefahren.

Der Regen war gestern ein Segen. Mich schafft das Klima ganz ordentlich, ich schlafe hier manchmal 12 Stunden und bin immer noch total schlapp. Ich bin es einfach nicht gewohnt, am 31.12.08, eigentlich fuer mich mitten im Winter, bei 37 Grad den Alltag zu leben. Fuer mich ist heute auch wie zu Weihnachten ein sehr ungewohnter Moment, Sylvester zu feiern. Wenn ich dran denke, dass ich nachher im Pool plansche und in Deutschland alle mit Jacken und Maenteln um Mitternacht das Feuerwerk am Himmel bestaunen, einfach unglaublich aber wahr.
Noch eine kleine Anekdote die ich am Montag hier erlebt habe. Gemeinsam mit Bosco war ich auf dem MJ-Departamento Policia Federal in Londrina. Ich versuchte, einen Brief der mein Vorhaben in wenigen Saetzen beschreibt beglaubigen bzw. abstempen zu lassen um etwaige Probleme oder sonstige Huerden an Grenzen mangels Sprachkenntnis zu meistern. Es war nicht moeglich, als Tourist kann ich mich frei bewegen wurde mir erklaert und dies gaebe nur innerpolizeiliche Probleme wenn es abgestempelt werden wuerde. Naja, ich hab mich damit abgefunden, seltsam fand ich aber, dass alle Amigos die irgendeine Knarre haben die problemlos registrieren lassen konnten. OK, ein psychologisches Gutachten muss schon vorliegen. Grund ist, das Ende des Jahres jede alte Waffe registriert sein muss, wer dies nicht macht und erwischt wird muss fuer 3 Jahre in den Knast. Das Projekt gilt der Entwaffnung der Buerger in Brasilien. Ergo ist es als Tourist bedeutend schwieriger einen Brief abzustempeln zu lassen als einen Colt legal tragen zu duerfen.. Ist ein abgestempelter Brief gefaehrlicher als eine Knarre?? Keine Ahnung..?? HAHA..
Das ist ein Bully, er sieht zwar schon etwas fertig aus aber fuer die Farmer leistet er einen guten Dienst, wenn er saeckeweise Bohen, Mais, Fisch, Salat und alles was man auf dem Markt kaufen kann transportiert. Der Bully wird hier aktuell noch produziert, er hat auch schon ein Facelift erhalten, ich bin begeistert.

Liebe Gruesse und nochmals einen Guten Rutsch ins Neue Jahr 2009 wuensche ich all meinen treuen Leserinnen und Lesern. Gruesse nach Nersingen, Winterbach, Heidelberg, Isny.....

Bis bald, Simon

Dienstag, 30. Dezember 2008

Ferienfreizeit in der Escola Oficina Pestalozzi

29.12.08
In den vergangenen zwei Tagen war trotz der Sommerferien ein sehr abwechslungsreiches Programm in der Escola Oficina Pestalozzi geboten.
Mit 25 Kindern aus der Favela haben wir zu dritt eine Ferienfreizeit organisiert und durchgefuehrt. Das war gar nicht so einfach, da alle Lehrer und verantwortlichen Personen eigentlich frei haben, aber Christina und Cleber haben sich bereit erklaert mit uns die Tage zu gestalten, was total klasse war.Um kurz nach 08.00 am sperrte Cleber das Tor auf und die Kinder stuermten in ihrer Schuluniform und teilweise in den neuen Turnschuhen herein. Zu Beginn machten wir Kennenlernspiele und ein Warming up, das den Kindern sichtlich viel Spass bereitet hat, da sie die Spiele, welche wir mit ihnen gemacht haben nicht kannten. Ich brachte diverse Geschicklichkeitsspiele aus dem erlebnispaedagogischen Bereich mit ein wie z. B. der "Elektrische Draht". Anschliessend teilten wir die Gruppe und hatten folgende Aufgaben gestellt: ein Haelfte musste einen Steckbrief von sich selbst anfertigen, inhaltlich wie folgt gegliedert: Name, Alter, Familie, was sie moegen, was sie nicht moegen, ihr Traumberuf, und sie sollten zum Schluss aufschreiben, warum sie in die Escola oficina Pestalozzi gehen. Ich war erstaunt, wie gut die Kinder schreiben konnten, wir haben ihnen auch reichlich bunte Stifte aus Deutschland mitgebracht. Danke an Tobias fuer Kugelschreiber der Volksbank Nersingen, Danke fuer diverse Metallic-Stifte welche der Schreibwarenladen Grass aus Isny gespendet hat. Wie sollte es auch anders sein, die Jungs wuenschen sich fast alle, Fussballspieler zu werden, viele wollten aber auch Bombeiro (Feuerwehrmann) werden.
Die andere Gruppe bemalte Stofftaschen die uns aus Winterbach gespendet wurden. Unser Dank gilt dafuer der Familie Mueller. Durch eine Spende der SMV vom Gymnasium aus Isny (VIELEN DANK) besorgten wir Stoffmalstifte, welche der "Renner" waren. Bevor aber die Taschen kuenstlerisch verziert wurden, mussten alle erst mal eine Skizze anfertigen. Viele Kinder schrieben "Feliz 2009" auf die Tasche und malten einen Sternenhimmel mit Feuerwerk darauf, oder einfach nur Herzen mit dem Namen der Familie.
Anschliessend, nach einer Pause wurde Fussball gespielt. Da spielte es keine Rolle ob Junge oder Maedchen, alle sind fussballverrueckt. Es ging hin und her, ich musste kaum einschreiten, es war sehr fair und es hat allen super viel Spass gemacht. Mir auch, trotz hohen Temperaturen.

30.12.08
Am zweiten Tag haben wir wiederum zuerst im Kreis Gemeinschaftspiele gespielt. Baelle und Reifen wurden sehr abwechslungsreich eingesetzt.
Nach viel Spiel und Spass teilten wir die Gruppe auf, ein Teil spielte auf dem Hartplatz Fussball, der andere Teil faltete Tiere ala Origami. Schnell wurden die Gruppen gefunden, die Jungs wollten unter sich die "Favelameisterschaft" ausspielen, allerdings mussten sie noch etwas gedulden, da wir den Maedels, welche genauso fussballbegeistert sind den Vortritt liessen. Nach kurzem schmollen fanden sich die jungen Kakas und Ronaldos damit ab und falteten Froesche aus Papier. Wellington stoppte die Zeit genau mit, damit die Burschen nicht zu kurz kommen und mindestens genauso lang kicken duerfen, es muss ja schliesslich fair verlaufen, auf gar keinen Fall duerfen die Maedels laenger spielen als die Jungs.
Nachdem der Wechsel erfolgte wurde der Fussball ordentlich getreten, grossteils noch barfussig, dass spielt aber keine grosse Rolle. Es ging hin und her, 2:1 endete die Partie fuers Underdorf, besondere Vorkommnisse: Handelfmeter in der 4. Spielminute, Julio verwandelt souveraen, jeweils eine Rote Karte(Gustavo/Oberdorf,Julio/Unterdorf) pro Mannschaft in der vorletzten Spielminute wegen Taetlichkeit - da ging es ganz schoen zur Sache. Trotz fehlender Sprachkenntnis leitete Schiedsrichter Galler aus Deutschland (Nersingen) dieses spannende Spiel souveraen ohne Fehler in der bruetenden Hitze im Stadion zu Londrina.


An dieser Stelle moechte ich mich auch nochmal bei der SMV vom Gymnasium Isny bedanken. Sie spendeten einen neuen Fussball, einen Indiaka und eine Ballpumpe.
Auch recht herzlichen Dank gilt dem FT Kirchheim aus Heidelberg (Danke Hamdi). Sie spendeten gemeinsam mehrere Spielbaelle (Basketball, Softball, Handball, Football, Gymnastikball) fuer die Strassenkinder aus Londrina.

Auf dem Bild sind die Maedchen mit ihren gebastelten Phantasietieren abgebildet.

Uns hat es sehr viel Spass gemacht und deshalb werden wir im Neuen Jahr nochmal in die Schule gehen und mit den Kindern spielen und basteln. Allein jedes Laecheln ist es wert mit den Kindern Zeit zu verbringen, sie sind so dankbar, wenn ihnen Abwechslung in den Ferien geboten wird.

Ansonsten bleibt zu sagen, dass ich mich sehr ueber euere Kommentare gefreut habe, es ist doch schoen, mit euch auf diese Art in Kontakt zu bleiben. Auch vielen Dank fuer die weiteren Spenden, welche eingegangen sind, dass ist so klasse, was fuer uns eine Kleinigkeit bedeutet ist hier sehr viel wert, das kann man erst erahnen und verstehen wenn man sich vor Ort einen Eindruck gemacht hat.
Wir wuenschen euch allen einen guten Rutsch ins Neue Jahr, Gesundheit und Zufriedenheit, geniesst die freie Zeit und lasst es euch gut gehen.

Freitag, 26. Dezember 2008

Brasilianische Weihnachten bei 35 Grad

Ola Amigos,. Weihnachten in Londrina im Staat Parana war sehr heiss. Am 24. Dezember waren wir abends um 08.00 pm in der Kirche, davor ist gar nicht daran zu denken, sich in geschlossenen Raeumen aufzuhalten. Die Kirche hier (im Erdgeschoss befindet sich ein riesen Parkhaus) war vollgestopft mit Menschen bestimmt ueber 1000, es wurde sich in die Baenke gequetscht, man klebte aneinander, Gott sei Dank stand man immer wieder auf, sang, betete, kniete sich nieder, es wurde viel geklatscht, auch als Maria und Josef leibhaftig mit Jesus in die Kirche einlief und der Padre dann das Erloeserkind in den Himmel reckte. Abschliessend wurde noch ein Geburtstagslied getraellert, Londrina wird 75 Jahre alt.
Dann sind wir von Elber abgeholt worden und er chauffierte uns auf seine Chakara nahe der Stadt. Hier versammelte sich fast die ganze Familie, bei reichhaltigem Essen und einigen Chopps Sol wurde Mitternacht abgewartet, dann gab es die Bescherung. Davor stellten sich aber alle nochmal im Kreis auf, Cynthia sprach ein paar Worte (verstanden hab ich nix), gemeinsam betete man ein Vater Unser und dann wurden Geschenke verteilt.
Wir haben fuer alle Kleinigkeiten mitgebracht, die Frauen haben sich sehr ueber die gebackenen Plaetzchen aus Winterbach von Renate gefreut, alle wollten sofort das Rezept aufgeschrieben bekommen.
Spaeter hab ich mich mit Elber lange am Zapfhahn ueber seine Zeit als Spieler unterhalten, das war aeusserst interessant, ich hab ihn Loecher in den Bauch gefragt und er aus dem Naehkaestchen geplaudert.
Irgendwann gegen 3 am oder spaeter sind wir dann zu acht im Auto nach Hause gefahren. Das mit dem Fahren ist kein Problem, das Bier hier kann man trinken wie Wasser, mehrere Gallonen und man merkt fast gar nichts, im Gegenteil, man schwitzt fast alles wieder raus.

Am naechsten Tag, dem einzigen Weihnachtsfeiertag in Brasilien waren wir alle ziemlich lazy. Auf der Tagesordnung stand Essen, hier ist man sehr viel Fleisch, zumeist aus der eigenen Zucht, Reis, rote Bohnen (ala Bud Spencer), Maniokmehl, Fleisch, Salat, Fleisch und zum Magen schliessen schlendert man durch den Garten und pflueckt sich Fruechte von den Baeumen, Mandarinen, Orangen, Litschis, Carambole, Mango, die Avocados waren noch nicht reif. Weitere Programmpunkte waren Bier trinken und im Pool planschen. Zwischendurch regnete es mal, das war sehr erfrischend, spaeter ass man wieder, oh Gott, ich kann mir gerade gar nicht vorstellen, das dieses Schlaraffenland in wenigen Tagen vorbei sein soll, dann gibt es Reis mit nix und Wasser aus der Betschlacher. Damit dies auch gelingt, hab ich meinen Katadyn Vario Filter am Pool ausprobiert, das Wasser ist stark chlorhaltig, Ergebnis: es hat einwandfrei funktioniert, muito bem.

Weitere Planungen wurden unternommen, ich nutzte den grossen Kreis der Familie und deren Freunde und fragte mich so gut es ging durch, erkundigte mich nach Wegen und Strassen, speziell wie die aktuelle Lage in Santa Catarina ist, ob es immer noch so stark regnet und ob die Wege und Strassen passierbar sind. Ich fragte nach Uebernachtungsmoeglichkeiten und hatte auch teilweise Erfolg, ich bekam einige Nummern, es wird telefoniert und angekuendigt, dass in geraumer Zeit ein verrueckter Radler aus Deutschland vor ihrer Haustuere steht und um Obdach bittet. Mal sehen was sich ergibt, ich freue mich auf weitere nette Bekanntschaften mit den Brasilianern. Berto, Elbers grosser Bruder hatte noch weitere wichtige Infos ueber Land und Leute, was ich besser sein lassen soll gegeben und wenn sich einer als besonders guter Amigo vorstellt !Achtung! die fuehren nichts gutes im Schilde. Auf meiner schwierigen Reise hab ich mehr zu gewinnen als zu verlieren.

Mein Portugiesisch ist nach wie vor mangelhaft, ich verstehe zwar schon deutlich mehr, sind ja schliesslich schon eine Woche hier, aber das sprechen faellt mir aeussert schwer, mein Schnabel ist fuer diese Aussprache nicht richtig gewachsen. Mein kleiner Langenscheid von der Gruppe 3 hilft mir, mich einwenig zurecht zu finden, vielen Dank, ich hoff, es geht euch gut.

Ausschau fuer die weiteren Tage:
Wir werden mit Laudicea auf ihre Huehnerfarm, dort uns betaetigen, ab Montag werden wir in der Escola oficina Pestalozzi mit den Kindern basteln und spielen, wir versuchen ehemalige Schueler aus dem Projekt bei ihrer Arbeit zu besuchen und zu interviewen, auch geplant ist ein Ausflug nach Foz zu den Iguazu-Wasserfaellen.

Hier und jetzt moechte ich mich ganz herzlich bei allen bisherigen Spendern bedanken, ich freue mich sehr. Mit der Bitte, wenn jemand spendet, dass wir es nachvollziehen koennen, also wenn moeglich, komplette Adresse (es gibt eine Spendenbescheinigung) und den Verwendungszweck nicht vergessen. Bei weiteren Fragen schaut auf die Homepage der Stiftung, siehe Link.

Ich freue mich auch ueber Kommentare!!!

Liebe Gruesse, euer P.T. Gallone

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Feliz Natal - Frohe Weihnachten

Am Montagmorgen sind wir in Londrina angekommen. Die Fahrt im Nachtbus war sehr relaxt, man hatte mehr Platz als im Flieger. Vom Busbahnhof Barra Funda sind wir los, da ging es nachts um 22.00 h noch zu wie auf dem Oktoberfest. Ein Gepaecktraeger schnuerte unsere Malas (Koffer) auf einen Sackkarren und war weg, helle Aufregung, es kam mir vor wie im Wilden Westen bei Wells Fargo & Co, ein Gewusel, es fiel schwer den Ueberblick zu behalten. Schlussendlich hat alles geklappt und 7 Stunden spaeter sind wir bei MAMA ELBER schwer bepackt angekommen.

Gegen Mittag sind wir dann das erste Mal in die Escola Oficina Pestalozzi. Julio Cesar zeigte uns die Raeumlichkeiten. Dann kamen die Kinder, alle in Uniform und teilweise schon mit den neuen Turnschuhen eingekleidet. Sehr diszipliniert nahmen erst mal alle Platz, dann stellten sich alle auf dem Spielfeld auf und fuehrten eine Art Tanz vor.
Gespannt vom Geschehen auf dem Platz nahm ich gar nicht wirklich wahr das Elber Giovani de Souza aufeinmal neben mir stand. Wir begruessten uns wie alte Freunde, sehr herzlich, unheimleich freundlich, unglaublich. Auch er sah gespannt den Kindern zu. Auf meine Frage,ob die Kinder es wahrnehmen wenn er hier ist meint er nur, dass die Kinder aktuell ihn nicht wirklich kennen, dass er mal ein bekannter Fussballer wahr wissen welche, es sei aber zu lange her.
Dann grosse Aufregung, ein Jeep faehrt vor, Leute rennen rum, das Lokalfernsehen zeichnet auf. Eine grosszuegige Spielzeugspende wird

den Kindern uebergeben. Plastikautos, Puppen, Baelle und andere Kleinigkeiten bekommen die crianças ueberreicht. Gluecklich nehmen sie wieder Platz, mir kommt es vor, dass manche gar nicht richtig registrieren, was hier passiert.

Im Anschluss spielen wir noch Basketball. Viele sind an meiner Person interessiert, es ist schon schade, dass ich mich nicht direkt mit ihnen verstaendigen kann, aber beim Spiel muss man das auch nicht unbedingt. Dann bekommen alle noch etwas zu trinken und zu essen, anschliessend gehen die Kinder nachhause. Ich blicke durch das Tor, sehe viele noch winken, weiss aber in Wirklichkeit nicht, wo sie nun hingehen, was sie nun erwartet. ABer das werde ich am Dienstagmorgen sehen koennen, Sida, die Sozialarbeiterin wird mit uns das Favela ansehen und dann kann ich mir einen Eindruck machen.

Das Favela welches ich heute gesehen hab ist noch eins der besseren, wurde mir gesagt. Wie ich mich aber fuehlte, puh. Die Leute leben in Baracken, schlimmer als zu meiner Zeit in der Stadtranderholung, als wir aus Kantholz und Schwarten Huetten gehaemmert haben. Alles Moegliche wird zum Huettenbau verwendet. Holz, Plastikplatten, Wellblechstuecke, Stoff, Metall, einfach alles und was man nicht mehr braucht schmeisst man einfach irgendwo hin oder zuendet es an, egal, storert hier eh niemanden. Teilweise sind die Strassen asphaltiert, ueberall laeuft irgendeine eklig beissede Bruehe aus den Huetten, Hundekot, Muell, igitt.



Cida spricht mit vielen Menschen, Eltern, Kinder die auf der Strasse rumhaengen, einige kennen noch Katarina. Bei manchen koennen wir teilweise in die Huetten blicken. Alle sind bereit, ein Foto mit uns zu machen, keinem ist dies unangenehm, viele ziehen sich sogar extra noch um.
Was mich wundert, viele Huetten haben Strom, irgendwo im freien steht eine Waschmaschine, aus manchen Baracken kommt laute Musik, Autos stehen in den Einfahrten, manche vielleicht noch fahrbereit, alle aber kurz vorm auseinanderfallen. In einer Huette wohnen Schicksalsfamilien, keine viele sind krank, drogenabhaengig, sitzen im Gefaengnis, gestorben oder in den zahlreichen umliegenden Bars erschossen worden. Junge Muetter in unserem Alter oder juenger haben schon mehrere Kinder, offene Fuesse, Narben, schwere Krankheiten, einfach nur traurig. Der Staat macht wenig, die Polizei ist korrupt, Drogen fliessen ohne Ende, ab 12 Jahre gehen sich viele schon auf die Strasse sich zu prostituieren.

Nach 2 Stunden Elend war ich erst mal platt.

Fuer den 23.12. ist eine Weihnachtsfeier angedacht. Die Lehrer haben viel vorbereitet. Die Kinder kommen sehr zahlreich, es wurde getanzt, eine Capoeira Einlage gab es, mehere Lieder wurden gesungen, eine kleine Theatervorfuehrung praesentiert und zum Schluss bekamen die Muetter, die ihre Kinder regelmaessig in die Schule schicken noch ein Geschenk.

Besonders gefreut hat es uns, dass wir die Geschenke fuer die Patenkindern von den Paten aus Deutschland ueberreichen konnten.

Nach einem anstrengenden Tag wurden wir von Carlos, dem Hausmeister (neuer Besitzer einer Oetinger-Taschenlampe) wieder nach Hause gebracht.

Die Brasilianer sind bekannt fuer ihre Lockerheit, ihre Lebens- und Kontaktfreude und Hilfsbereitschaft. Bisher hab ich so viel nette Leute kennengelernt, in der Schule, vom Capoeira, aber auch die Familie de Souza (eher bekannt unter Elber). Ich freue mich sehr, hier zu sein, hier Gast sein zu duerfen, ich fuehle mich sehr wohl, obwohl ich Weihnachten auch gerne zu Hause bei meiner Familie waere. Aber dieses Jahr ist alles ganz anders, ich sitze hier bei ueber 30 Grad, wie soll da Weihnachtsstimmung aufkommen? Gleich kauf ich mir eine Badehose und dann gehts in den Pool.

Wir wuenschen euch allen frohe Weihnachten <> Geniesst die Zeit innerhalb der Familie, kommt zur Ruhe und lasst es euch gut gehen. Und falls es vielleicht doch mal mit dem Weihnachtsfrieden im Argen ist, denkt an uns, denkt an die Kinder in den Favelas.
Wir wuenschen allen besinnliche Tage in Harmonie im Kreise der Familie und Freunden, wir denken an Euch.

Frohe Weihnachten, Mama, Papa, Christian, Jonas, Simone..



Sonntag, 21. Dezember 2008

Lost in São Paulo - Stadt ohne Grenzen

..und hier ist er, der erste Post unterhalb des Aequators..
Nach mehr als 16 Stunden Flug erreichten wir die Agglomeration Grande São Paulo. Sie zaehlt mehr als 19,2 Millionen Einwohner, damit ist sie eine der groessten Metrepolregionen der Erde und bevoelkerungsreichste Stadt auf der Suedhalbkugel. Am Aeropoert wurden wir sehr herzlich von Margot und Joao in Empfang genommen. Das spuelte auch die erste kleine Enttaeuschung runter. Das Gepaeck ist nicht da, hat mir eine nette Dame der TAM nach einem Ausruf versucht zu erklaeren. Es waere auch ein logistisches Wunder gewesen, da wir aus dem ersten Flug welcher umgeleitet wurde wieder ausgecheckt wurden und durch den kompetenten Mitarbeiter der Lufthansa einen anderen frueheren Flug nehmen konnten, vielen Dank Wolfgang. Durch ihn hab ich mir auch noch die Gebuehr fuer mein Sportgepaeck medium gespart. , juhu. Man muss einfach reden mit den Leuten. jetzt geht es noch, anders als in Brasilien.
Im nachhinein hat sich dies als Vorteil fuer uns entpuppt, denn Rad und Gepaeck haetten wir nicht in den Corsa untergebracht und nach etlichen Telefonaten hat die TAM uns das Gepaeck etwas demoliert nach Hause gebracht.

Nach einem kurzen Snack haben wir uns entspannt. Gegen Mittag sind wir dann zu einer Party eingeladen worden. In die Casa Emilio, ein Amigo von Joao, die Familie geht in Urlaub fuer laengere Zeit und feiert nochmal ausgiebig mit den Freunden und uns. Die Casa war unglaublich gross, mit Pool, Basketballcourt, Sauna, Fitnessraum, Weinlager im Keller, Ara-Papageien im Garten, mehrere Pickups.... ganz und gar nicht was ich mir hier vorstelle. Die Musik kam aus einem Showcar, megalaut, bei uns zulande waere innerhalb von 30 min die Polizei vor Ort. Das Essen war auch ausreichend , es gab alles, zu erwaehnen ist die Piranhasuppe, den Inhalt selbstverstaendlich selbst gefischt. Es waren viele Geschaeftsleute die Englisch sprachen da, nachdem ich mein Vorhaben erklaerte, meinte Roberto (Kodak-Dealer), dass das Gebiet in Santa Catarina nachwievor schwere Regenfaelle erdulden muss. Das sorgte bei mir fuer tiefe Falten auf der Stirn, da muss ich noch ausreichend recherchieren.

Am naechsten Tag erkundeten wir dann São Paulo
. Mit Bus und U-Bahn (schwer bewacht) fuhren wir auf einen asiatischen Markt und bummelten umher. Es ist unglaublich, wie eng und hecktisch es teilweise hier zugeht. An manchen Umsteigestationen passieren taeglich soviele Menschen wie Berlin Einwohner hat. Auf einer Bruecke erhielt ich die Moeglichkeit, etwas weiter zu blicken, da nicht Hochhaeuser und Menschmassen aller Kulturen die Sicht versperren und ich war baff. Wer soll sich hier bitte auskennen, durchblicken, sich zurechtfinden. Wahnsinn!
Die Leute hier sind alle unglaublich nett. Jeder hilft jedem. Nachdem unsere Schuhsohlen gluehten, mit Ausnahme von Margot (sie hat Raeder an den Fuessen) erholten wir uns und gingen spaeter mit den Nachbarn noch zum Essen. Sehr schoen ist, dass z.B. etwas bestellt wird, alle nehmen davon, auch beim Bier, da kommt eine Gallone auf den Tisch, wenn die leer ist, wird eine neue bestellt, es wird alles geteilt. Jeder ist herzlich willkommen.

Schade, dass die Zeit in São Paulo sich schon gegen Ende hin neigt. Heute Nacht fahren wir mit dem Bus nach Londrina. Auf diesem Weg moechte ich mir ganz herzlich bei Familie Mariano in Winterbach fuer den Kontakt zu den Eltern hier bedanken. Auch bei Heiko fuer den Transfer zum Flughafen. Bis bald!

Leider kann ich keine Bilder hinzufuegen, da es zum einen ein Hardwareproblem gibt, welches vermutlich noch oefters auftaucht, auch schwierig ist die Handhabung des PC´s in fremder Sprache, auch das Schreiben mit einer nicht bekannten Buchstabenzuweisung ist gewoehnungsbeduerftig. Sobald ich aber die Moeglichkeit habe werde ich meine Post´s mit Bildern lebhafter gestalten.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Eine Ochsentour gegen die Armut

Simon Galler startet morgen nach Südamerika und fährt dort über 5000 Kilometer auf dem Fahrrad. Für jeden Kilometer soll gespendet werden
Von unserem Redaktionsmitglied Sandra Dambacher - Winterbach.

Über die Anden, wo die Luft dünn ist, und durch das heiße Argentinien will sich Simon Galler (28) mit seinem Drahtesel quälen. Einen Weg aus Elend, Krankheit und Hoffnungslosigkeit will er damit für die Favelakinder aus dem brasilianischen Londrina ebnen. Denn mit jedem Tritt in die Pedale sollen die Spendengelder fließen.

Durch die Liebe kam Simon Galler auf die waghalsige Idee, alleine durch Südamerika zu radeln und daraus eine Benefiztour zu machen. Denn seine Freundin, Katarina Schrade, ist die Tochter von Richard Schrade,dem zweiten Vorsitzenden des Winterbacher Vereins zur Förderung brasilianischer Straßenkinder. Ex-Fußballstar Giovane Elber, der selbst in Londrina (Brasilien) geboren ist, steht an der Spitze dieser Organisation. Seine Heimatstadt ist Start und Ziel von Gallers anstrengender Rundreise, die morgen startet. In die Escola Oficina Pestalozzi (Öffentliche Pestalozzischule) vor Ort sollen die erradelten Spendengelder fließen. Bevor er sich auf den Sattel schwingt, möchte der Abenteurer in diesem Schul- und Ausbildungszentrum mit seiner großen Liebe noch ein paar Tage Luft holen. Katarina Schrade war bereits dreimal dort. Die Sportlehrerin hat mit den Kindern Fußball gespielt. „Die Kleinen sind total fußballverrückt und hauen mit ihren Flip Flops einfach auf den Ball, da fliegt schon mal ein Schuh davon.“ Das ausgelassene Spielen steht aber im krassen Gegensatz zu ihrer Armut. „Die Kinder leben in Favelas, das sind Hütten aus Holz und Blech, einige wenige sind aus Zement. Sie haben werder eine Toilette noch fließend Wasser“, berichtet die junge Frau. Über Bildung soll ihnen der Sprung aus den Slums in die Stadt gelingen. „Auch in Brasilien gibt es Schulen, doch die vermittelte Bildung ist schlecht“, erzählt sie weiter. Die Söhne und Töchter der Armen haben keine Möglichkeit, in die Bildungsanstalten zu kommen, da sie sich kein Busticket leisten können. In die Pestalozzi-Schule am Rande ihrer Favela-Siedlung können sie laufen. Die Schüler lernen Englisch und werden sportlich und musisch gefördert. Jugendliche können über den Berufsschulzweig unter anderem Bäcker, Friseur oder Gärtner lernen. Auch Informatik- und Schreibmaschinenkurse werden angeboten. Diese Kenntnisse reichen schon, um der Armutsfalle zu entkommen. Ein großes Problem ist, dass die hauptberuflichen Lehrer nicht mehr voll vom Staat bezahlt werden. Ein Teil ihrer Gehälter bleibt nun an Giovane Elber und seinem Verein hängen. Die verrückte Radel-Aktion kann jeder unterstützen. Privatpersonen spenden der Schule zwischen einem und zehn Cent pro gefahrenen Kilometer. Dabei kann über einen Web-Blog verfolgt werden, wo der 28-Jährige gerade steckt. Die Tour wird etwa vier Monate dauern.

Anders als deutsche Kinder freuen sich brasilianische auf die Schule
„In Brasilien freuen sich die Kinder, wenn sie eine ordentliche Bildung erhalten, und in Deutschland muss man die Kinder aus den Betten jagen, damit sie in die Schule gehen“, erzählt Galler, der in Heidelberg als Heim- und Jugenderzieher gearbeitet hat. „Dort werde ich die andere Seite erleben.“ Doch ein bisschen mulmig ist ihm jetzt schon. „Es kommt durch heftige Regenfälle in den Anden oft zu Lawinen, die ganze Wege mitreißen.“ Das stundenlange Abstrampeln bergauf war dann umsonst. Rumdrehen, bergab brausen und einen neuen Weg finden ist dann das Tagesziel. Sein Gepäck wird bei der Berg- und Talfahrt mit 30 Kilogramm auch eine ordentliche Belastung sein. Auf Dosenfutter, seine Reiseapotheke und ein Zelt kann er aber nicht verzichten. Dafür wird das schwere Rad schon nicht so schnell geklaut. Wer alleine durch die armen Regionen Südamerikas reist, ist Kriminalität schutzlos ausgeliefert. „Ich habe mein Rad extra ohne tollen Lack und viel Schnickschnack gestalten lassen, damit es keiner haben will.“ Vor Unglück sollen den künftigen Weltenbummler Maskottchen bewahren. Von seiner Tante hat er einen vererbten Rosenkranz bekommen, und seine Liebste hat ihm einen Schutzengel aus Ton gebastelt. Auch gegen die Einsamkeit sollen die kleinen Geschenke helfen und ihm Kraft geben, wenn er an seine Grenzen stößt. Eine Möglichkeit zum Reisen werden die meisten Kinder aus den Armenvierteln in Londrina nie bekommen. Die Grenze ihrer Stadt ist die Grenze ihrer Welt. „Ein kleines Mädchen hat mich gefragt, ob ich wieder mit dem Bus nach Deutschland zurückfahre“, erzählt Katarina Schrade. Ihr Freund kann sich mit dieser Radtour seinen großen Traum vom Weltenbummeln erfüllen. Er möchte den Kindern ein Stück von seinem Glück abgeben, indem er für sie in die Pedale tritt. Um den kleinen Brasilianern eine ordentliche Summe von seiner Reise mitbringen zu können, freut er sich über jeden Sponsor. Bei der Ankunft in Londrina werden einige der Knirpse sofort beschenkt, denn viele von ihnen haben Paten in Deutschland, die Galler Präsente für ihre Schützlinge mitgeben. Katarina Schrade spricht fließend Portugiesisch und übersetzt deren Weihnachtskarten und Briefe. Eine Patenschaft kostet 20 Euro im Monat. damit wird die Ausbildung eines Schülers komplett finanziert. „Was eine Kleinigkeit für uns ist, ist für die Favelakinder ein Riesenglück“, erklärt der Benefiz-Radler.

Dienstag, 16. Dezember 2008

Ulmer Firma stellt innovative Funktionskleidung zum Testen

Die Ulmer Firma pervormance GmbH reagierte auf den Presseartikel in der Südwestpresse und nahm Kontakt auf. Die Firma entwickelt innovative Funktionskleidung welche bei großer Hitzeeinwirkung mit dem kühlenden COOLINE Hightech-Vlies Menschen durch aktive Kühlung vor Überhitzung schützt. Gleichzeitig kann es einem Leistungs- und Konzentrationsabfall vorbeugen sowie bestehende Unfall- und Verletzungsrisiken vermindern. Bisher wurde das Produkt im Arbeitsschutz eingesetzt, durch Weiterentwicklung dehnte sich das Einsatzfeld im medizinischen Sektor, Freizeit und Sport aus. Cooline funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie der menschliche Körper. Bei hohen Temperaturen bildet sich Schweiß, der verdunstet und dadurch auf der Hautoberfläche einen Kühleffekt auslöst. Diese Kühlung durch Wasserverdunstung macht sich das COOLINE-Material ebenfalls zunutze - es wird schnell und unkompliziert mit Wasser aktiviert und kühlt während des Tragens durch die Verdunstung von Wasser. Aktiviert wird die Funktionskleidung, indem man sie für 10 bis 20 Sekunden ins Wasser hält. Nach kurzer Zeit fühlt sich die Funktionsfaser-Oberfläche angenehm trocken an und ist einsatzbereit. Um weitere Erfahrungen zu sammeln werde ich nun eine Kühlweste, ein Inlay für den Helm und Kühlbänder auf meiner Reise durch Südamerika testen. Wichtig ist dabei bestimmte Parameter zu beachten, wann und wo ich Funktionskleidung trage, wie war die Außentemperatur, wie wurde es aktiviert und wie lange war der Kühleffekt. Ich freue mich, für die Weiterentwicklung mit meinen auf mich zukommenden Erfahrungen helfen zu können und hoffe dem entsprechende Ergebnisse zu erzielen. Vielen Dank für den netten Kontakt mit Frau Tluczykont und der Geschäftsführerin Frau Stein, mit der ich auf dem Foto abgebildet bin. (Ich trage eine Funktionsweste). Besonders freue ich mich dass sie sich sehr interessiert für mein Spendenprojekt zeigen und dieses unterstützen und somit die Straßenkinder in den Favelas in Londrina fördern.


Donnerstag, 11. Dezember 2008

Lust auf Grenzerfahrung

28-Jähriger fährt für Giovane-Elber Stiftung mit dem Rad durch Südamerika.
Vier Monate allein. Ob
en die Sonne, unten die Schotterpiste. Keiner zum Reden. Um Spenden für Straßenkinder zu sammeln, radelt der Nersinger Simon Galler durch Südamerika. Sponsoren willkommen. (CLAUDIA REICHERTER)

Nersingen/Region. „Ich bin mir sicher, relativ früh an meine Grenzen zu kommen“, sagt Simon Galler aus Nersingen. „Da gilt es dann, zäh zu sein.“ Der 28-Jährige fliegt am 18. Dezember mit seiner Freundin nach Brasilien. An sich kein grenzwertiges Vorhaben. Die beiden Pädagogen wollen in einer Schule im Armenviertel von Londrina eine Ferienfreizeit für Kinder gestalten. Anfang Januar aber rückt die erwartete Grenzerfahrung näher: „Dann hefte ich meine Satteltaschen ans Rad und radle los“, kündigt der Schreiner und Heimerzieher an. Mit dem Fahrrad will er vier Monate lang allein durch Südamerika reisen. Kilometer sammeln. Nicht fürs eigene Tagebuch, sondern für einen guten Zweck. Denn pro geradeltem Kilometer geben Sponsoren Geld für die Schule in der Favela der 500 000-Einwohner- Stadt Londrina. Das ist es, was den Nersinger an seinem Projekt reizt: Das persönliche Vergnügen mit einer Herausforderung, und die Herausforderung mit sozialem Einsatz zu verbinden. „Ich möchte mit dieser Reise gewisse Ideale umsetzen“, sagt er: Armut bekämpfen und ein elementares Menschenrecht umsetzen helfen, das Recht auf Bildung. Die Idee wurde diesen Sommer geboren. Da seine Freundin im Allgäu ihre erste Stelle antrat, steht auch für den derzeit in Heidelberg tätigen Jugend- und Heimerzieher ein Wohnort- und Jobwechsel an. Ein Einschnitt, eine Zäsur im Lebenslauf. Solche Zeiten der Veränderung und des Umbruchs eignen sich, ungewöhnlicheUnternehmungen einzuschieben. In Gallers Fall heißt das: erst 2120 Kilometer von Brasilien über Uruguay nach Buenos Aires.

Gallers Dreikampf: Vergnügen, Qual, sozialer Zweck
Ob er auch durch Feuerland radelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: seiner Fitness, den klimatischen Bedingungen und der Dauer zur Erledigung von GrenzübertrittsformalitaÅNten. Dann geht es weiter nach Chile, durch den südlichen Zipfel Perus nach Bolivien. Von Santa Cruz fährt er mit dem Zug zurück nach Londrina. Ob er in der Stunde drei oder 50 Kilometer schafft, „wird die Erfahrung zeigen“, sagt der Nersinger Hobbyradler. Auf Schotterpisten mit Schlaglöchern, steilen Passstraßen, Temperaturen von 40 Grad Celsius bis unter den Gefrierpunkt, bei Gegenwind und Starkregen, mit 35 bis 40 Kilo Gepäck bei 73 Kilo Körpergewicht. In 4000Metern Höhe in den Anden werde nicht nur die Luft dünn – Rad- und Skitouren führten ihn bislang maximal 3000 Meter hoch –, sondern auch die Versorgung. „DasWasser werde ich aus jeder Pfütze selbst aufbereiten, denn mindestens acht Liter am Tag soll man trinken“, sagt Galler. Allen Widrigkeiten zum Trotz ist der Nersinger optimistisch: Dass er krank wird, glaubt er nicht, bis auf eine Schulterverletzung war er in den vergangenen Jahren gesund, und die politische Lage hält er für „stabil“. Auch wenn das Auswärtige Amt warnt. Vor „vulkanischen Aktivitäten“, Drogenkartellen, Malaria, Gelb- und Dengue-Fieber. Zur Prophylaxe war er vergangene Woche beim Tropenarzt. Aber gegen Kriminalität gibt’s keine Pille: Ein Stück weit brauche so eine Unternehmung halt „die gute Hoffnung“. Empfänger der von ihm noch zu erradelnden Spenden ist die Giovane- Elber-Stiftung. Der Vater seiner Freundin, Richard Schrade, gehört seit der Gründung 1994 dem Vorstand des Vereins zur Förderung brasilianischer Straßenkinder an, der mit dem damaligen VfB-Fußballer Elber ins Leben gerufen wurde.

Spenden fürs Kilometerschinden: ab 20 € mit Quittung
Derzeit steckt Simon Galler in den Vorbereitungen: studiert Karten und baute vor zweiWochen sein Rad zusammen. Schlicht und robust sei es. Aber qualitativ hochwertig mit wartungsarmer Hydraulikbremse und stabilem Gepäckträger, beides gestellt von der Heidelberger Fahrradwerkstatt „Schaltwerk“. Zelt, Benzinkocher und Funktionskleidung bekommt er vom Outdoor- Laden „Backpacker“. Zehn Privatpersonen und kleinere Firmen aus der Region – etwa die Nersinger Hofmetzgerei Ley und Waitzinger Betonpumpen aus Neu-Ulm – haben ihm Spenden fürs Kilometerschinden zugesagt. Weitere Unterstützer sucht er derzeit. Angesichts der wirtschaftlichen Lage nicht ganz einfach. Aber: „Selbst bei einer Spende von einem Cent pro Kilometer kommt bei so einer Tour einiges zusammen.“ Ab 20 Euro gibt es von der Stiftung eine Spendenquittung. Informationen finden sich auf Gallers Internet- Homepage. Dort lässt sich auch seine Tour verfolgen. Fest stehe: „Verwaltungskosten werden von mir aus der eigenen Tasche bezahlt.“ Denn die Spenden sollen da ankommen, wo er vor dem Start zur Radtour ehrenamtlich arbeitet: in der Escola oficina Pestalozzi in Elbers Heimatstadt Londrina. Der Start – voraussichtlich am Dreikönigstag – wird für den 28-Jährigen ein Highlight: „Giovane will die ersten Meter mitfahren.“ Bis Ende April wird er dann viel allein sein. Das werde eine Prüfung. „Es wird auf jeden Fall Zeiten geben, wo ich an meine Grenzen komm’“, sagt Simon Galler nochmal. Denn so richtig allein war er noch nie unterwegs, durch die Alpen, die Slowakei und die Ukraine war stets sein „Radspezi“ dabei. Außerdem: Sprachbegabt sei er nicht eben. Kein Spanisch, kein Quetschua, nur Englisch und Deutsch. In Blumenau etwa will er deshalb „so lang mit dem Rad im Kreis fahren, bis mich einer zum Duschen und Essen einlädt“.