Mittwoch, 11. Februar 2009

Klopapier und Bananen

Einigermassen erholt von der Busfahrt und nach einem mageren Fruehstueck stand das Cratoni abfahrbereit vor dem Hostel. Ich zickte noch ein wenig, aber besser wird es wohl nicht werden. Nachdem gestern der ganze Tag verregnet war musste ich mich mit leichtem Nieselregen erst mal zufriedengeben, also los.. In San Miguel de Tucuman hab ich mich erst mal verfranzt, keine Ahnung, wo die Strasse hinfuehren soll, Schilder und Richtungshinweise sind hier, so kommt es mir vor nicht bekannt. Einheimische finden sich zurecht und weiter weg kommen sie mit ihren Kutschen eh nicht. Nachdem ich ein nochmal nach dem Weg gefragt hab war die Irrfahrt beendet, umdrehen, die Strasse beim Metzger links, beim Hufschmied rechts, ein paar Blocks und dann muesste die Avenieda Roca Richtung Lules erscheinen, tatsaechlich.. Es ist ein beruhigendes Gefuehl, zu wissen, dass man nun die erwuenschte Strasse gefunden hat und dann faehrt man gleich wieder motivierter. Aus der Stadt raus werde ich an Kreuzungen noch ein paar mal von Scheibenputzern belaestigt, wollen immer Pesos, was mich anregt, keinen Halt mehr an roten Ampeln zu machen, jedoch vorsicht, an einer Tankstelleneinfahrt gab es einen Unfall mit einem Rollerfahrer und einem Peru (Kleinbus). Gott sei Dank war der Zweiradfahrer vernuenftig und hatte den Helm richtig auf, ich meinen versteht sich auch. Das ist hier nicht selbstverstaendlich, von 20 Mopedlern hat einer das Hartschalending da wo es auch hingehoert.
Also weiter Richtung Sueden, wieder mal muss ich Verbotsschilder ignorieren, die sind so unnoetig wie ein Kropf, da sie sowieso niemand einhaelt. Bis Acheral sind es ein paar mehr Kilometer als auf der Karte zu lesen sind, meinen Umweg eingerechnet. Nach einer Pause packe ich vorsorglich meine Regenjacke nach oben. Ich geniesse die letzten Km in der Ebene, menthal stelle ich mich auf Hoehenetappen ein. Nach 10 Km ist es dann vorbei mit dem eh schon anstrengenden pedalen und vorne springt die Kette aufs mittlere Kettenblatt, immer und immerwieder muss ich aus dem Sattel und setze zum Wiegetritt an. Langsam schmerzt die Schulter, das Kopfweh ist auch spuerbar. Ich bin mal wieder mit zu wenig Wasser aufgebrochen und das zahlt sich nun aus. Ich trinke kaum und werde unheimlich muede. Die Natur hat sich auf einen Schlag gaenzich veraendert, ich nehme tiefsten gruenen Regenwald wahr, die Baeume oeffnen eine lange Allee, geneigt und stark behangen von Graesern, Moos und Farnen ist es ein schoen anzusehendes Naturschauspiel welches Ablenkung schafft. Die Steigung laesst kaum nach und eine Serpentine schliesst an die naechste an, teilweise sind weite Blicke ins Tal moeglich, dies entschaedigt fuer die Strapazen. Nach El Indio geht es etwas sanfter aber stetig nach oben. Immer wieder muss ich entgegenkommenden Bussen ausweichen und manches Ueberholmanoever laesst mich fluchen.

Auf der Karte ist ein Dorf names El Mollar eingezeichnet, das muesste doch bald kommen, vielleicht noch ein oder zwei Kehren. Als ich an einer Spitzkehre stoppe haelt ein Wagen und macht mich aufmerksam, dass das Wasser nicht trinkbar ist, die Frage ob El Mollar noch weit ist meinte er: nur noch ein wenig. Das macht Mut, also weiter. Bei einem Artinsanes halte ich, lasse meine Wasserflaschen auffuellen, dafuer kauf ich ihm ein kleines Souvenier ab. Die Bruehe ist aber mehr braun als transparent und so verzichte ich auf den Inhalt und zieh mir noch einen Wrigleys rein. Bei Kilometer 100 genau zwingen mich die stechenden Rueckenschmerzen zum absteigen, das wiederholt sich ein paar Kilomter spaeter nochmals. 5 km spaeter kann ich dann neues Wasser kaufen und besorgt nehm ich die Info hin, dass mich noch weitere 15 km erwarten.

In El Mollar gibt es dann keinen Platz in der ersten Unterkunft und an einer Weggabelung frag ich nach einer Alternative. Josef meint, ich soll mit ihm ins Tafi del Valle mitfahren, dort sind mehr Moeglichkeiten und schnell ist alles auf dem Hillux verstaut.
In Tafi del Valle ist an diesem Abend ein Konzert, Axel gibt sein Bestes. Fuer mich bedeuted das, viele Leute, wenig Hoffnung auf eine Unterkunft, doch nach der vierten Anfrage finde ich noch einen Platz im Hostel Nomade. Beim Aussteigen fall ich fast in ein 1m auf 50 Zentimeter Loch auf dem Gehsteig. Manches, was hier als voellig normal hingenommen wird versetzt mich immer wieder ins grosse Staunen. Keine Absperrung, kein Banner, nada.. Unglaublich..
Zusammen mit 6 Medizinern aus Spanien und Hannibal teile ich mir ein Dorm. Fuer die Enge des Raums ist es aber doch sehr angenehm und ich bin froh, eine trockene Unterkunft zu haben und die Dusche ist eine Wohltat fuer meinen geschundenen Koerper, es gibt sogar Warmwasser.

Am Sonntag steh ich auf und die Sonne scheint. Ich freu mich wie ein kleines Kind. Schnell pack ich die Sachen aufs Rad, den Tag moechte ich gaenzlich nutzen um Kilometer zu fressen. Josef meint noch, dass es weitere 10 Km bergauf geht, aber was sind schon 10 Km bei gutem Wetter, Sonnenschein und einem weitem Bergpanorama. Schliesslich waren es 20 Km und weitere 1000 Hoehenmeter die mich dann endlich auf den ersten Hochpunkt meine Tour bringen. Oben, nach guten 3:32 Stunden gibt es erst mal ein kurzes Vesper, anschliessend noch einen kurzen Mittagsschlaf.

Darf ich mich jetzt auf die Abfahrt freuen? Alles was man hochstrampelt sollte man gerechter Weise auch runterrauschen duerfen!! Aber nicht hier, erst mal ist der Wind dagegen und zweitens sind die Strassen genauso ein Kraterfeld dass man Obacht geben muss nicht in ein Loch zu fallen und von der Oberflaeche zu verschwinden. Verkrampft halte ich am Lenker fest, die Bruehe laeuft, hochkonzentriet schlaengle ich mich die Loecherpiste nach unten. Hier gilt die gleiche Regel wie beim Tischkickern; nie die Haende weg vom Torwart, mein Torwart und meine Sicherheit sind die Bremsen die immer von jeweils 3 Fingern leicht umklammert sind. Die Natur ist wenig aufregend, einzig die riesigen Kakteen lassen mich immer wieder fuer ein Foto innehalten und an einer sicheren Stelle zielen. Zwischendurch wird die Strecke besser so dass ich mal in den Geschwindigkeitsrausch von ueber 70 km/h komme, das macht Spass.

In Amaiche del Valle angekommen fuelle ich Wasser und den Magen auf, Empanadas deren Zahl 3 sind mit wenigen Schnappern verdrueckt. Bis Cafayate sind es noch 62 km, wenn es so weiter geht kann ich die Stadt noch erreichen. Unterwegs halte ich um bei einem Fussballspiel auf sandigem Platz zuzusehen. Dann blaesst mir der Wind kontinuierlich ins Gesicht, gerade mal 12 km/h sind moeglich, Cafayate ade, ich wollte eh zelten..

Japhy, ein Radtourist aus Nepal begegnet mir, er ist seit 15 Monaten unterwegs und faehrt von Californien nach Patagonien. Da faellt mir ausser great erst mal nichts mehr dazu ein. D.W. meinte er hier das Paradies im Vergleich zu Peru und Bolivien vorzufinden. Da bin ich mal gespannt.

Ich lasse mein Tagesziel von 100 km aus und finde einen schoenen Platz abseits der Strasse zum Ruhen. Der Dragonfly springt aufs zweite mal an, ich baue das Zelt auf und bei einem Routineblick stelle ich vorne mal wieder Plattfuss fest. Gelassen nehm ich es hin und verschiebe das Flicken auf Morgen, geniesse bei Vollmond meine Pasta, mein Quilmes und verzieh mich anschliessend ins Zelt. Dort ist es aber so heiss, dass ich schwitze, die Scweiss laeuft gerade zu auf die Termarest. Nachts faengt es an zu Regnen, das sorgt wenigstens fuer etwas Abkuehlung..
Ich hoffe nur, dass ich morgen im Trockenen zusammenpacken kann.

Am Montagmorgen hab ich dann Glueck und der Himmel haelt die Schleusen dicht. Schnell schleppe ich alles zur Strasse, pack das nasse Zelt ein, schnell den Plattfuss reparieren und weiter.. Zum entsetzen muss ich feststellen, dass auch der hintere Reifen nach genauem kontrolliern und dem Ziehen einiger Stacheln Luft verliert. Ich fluche und bin wuetend.

Es kotzt mich an und ich muss wohl oder uebel, mir bleibt ja keine andere Wahl eine weiteres Zeitfenster fuer Reparatur einschieben. Sorgfaeltig pruefe ich Zentimeter fuer Zentimeter nach weiteren Gefahren fuer den Càmara (Schlauch). Endlich, um kurz nach 11 am gehts nach 2 Vanillejoghurts endlich los, mit meinem Start in die neue Woche setzt auch der Regen ein.

In ca. 20 km kommt Cafayate, dort kann ich dann entscheiden ob ich bleibe, Kaffee trinke und raste. Doch so weit sollte ich erst mal nicht kommen. Ein weiterer Plattfuss laesst mich aussetzen. Ich kann es nicht wirklich glauben, pumpe nach und versuche bis Cafayate zu kommen, in der Hoffnung dass ich dort neue Schlaeuche und einen Neumatico kaufen kann.

In der Bicicleteria RUDY bekomm ich dann einen neuen Mantel und Schlauch fuer 69 Pesos. Die alten Schlaeuche hatten mehr als 7 Loecher, da hab ich aufgehoert zu zaehlen. Ein erneuter Boxenstopp laesst mich in der Mittagshitze rasten und reparieren. Bis Salta sind es noch ueber 200 km, eigentlich wollte ich schon gestern dort sein. Da hab ich mich etwas verplant, gut ok, die Bergetappen waren nicht einkalkuliert und aus dem vorhandenen Kartenmaterial nicht zu entnehmen.
Ich treffe auf weitere Radamigos aus Ecuador und Argentinien, auch auf eine franzoesische Familie aus der Naehe von Chamonix (Kennzeichen 74, Marie-Christine, dass ist doch bei Dir ums Eck). Die Familie mit 3 Kindern, Zwillingen mit 9 und einen juengeren Knaben sind fuer 3 Jahre unterwegs und haben sich ihr Wohnmobil einschiffen lassen. Unterrichten tun sie selbst. Sie bieten mir Wasser und Kuchen an, ich habe mich aber mittlerweile gut versorgt.
Die Natur ist traumhaft schoen, rotes Gebirge soweit das Auge reicht, zerklueftete Felsen ziehen sich ewig dahin, die Sonne steht tief und das Panorama ist unglaublich anzusehen. Kaempferisch zeige ich mich und stemme mich mit aller Kraft gegen die fiese Macht von vorn, das kann ganz schoen frustrierend sein, wenn es bergab geht und man noch voll reintreten muss um ueberhaupt vorwaerts zu kommen. Da weiss ich schon mal, auf was ich mich einstellen kann wenn ich vom Passo Jama Richtung San Pedro de Atacama rolle oder wieder hoch geblasen werde...

Eine Horde Argentinier halten mich bewusst an, ihr Moped hat Platte, ich gebe meinen letzten guten Babber und Kleber in einer Flipstuete in der Hoffnung das es ausreicht ab.

Wiederum finde ich einen windgeschuetzten Schlafplatz, es liegt zwar viel Muell aber das stoert mich wenig. Ich bin nur wieder mal enttaeuscht, wenn so schoene Plaetze ueberhaupt so verwahrlosen muessen. Die Natur in ihrer einzigartigen Schoenheit wie sie hier zur Geltung kommt sollte man doch erhalten¿¿¿¿¿¿¿¿¿¿ Das juckt die Gauchos aber relativ wenig.
Nach einer weiteren heissen Nacht mach ich mich auf zur letzten Etappe nach Salta, gute 108 km sollen es laut Schild (ja es gibt sie doch noch) sein.

Meine Kopfschmerzen hab ich erfolgreich mit einem Cabernet Sauvignon behandelt, die Rueckenschmerzen haben auch abgenommen, jedoch jagt mich jetzt der Durchfall alle 20/25 km in die Buesche. Gottfroh war ich, als ich in Talapampa eine Rolle Klopapier und Bananen kaufen konnte.

Nachmittags erlebte ich dann nochmal eine Schrecksekunde. Als ich beim Fahren ein paar Fotos machte kam ploetzlich unerwartet ein Schweller und ich konnte gerade noch die Kamera in die Lenkertasche legen, im hohen Bogen katapultierte sich das gute Stueck auf den harten Asphalt, der nachkommende Bus wich aus und mit groessten Befuerchtungen hob ich sie wieder auf. Auf die ersten Druecker funktionierte nichts, boese Schrammen haben stattdessen ihre Spuren hinterlassen. Nach dem 7.ten Versuch, ich hab schon nicht mehr dran geglaubt hat das Display doch wieder geleuchtet.,,. PUH, nochmal Glueck gehabt..
In Salta hab ich mich im Backpacker Soul eingenistet, erst mal mein nasses Zelt und Schlafsack aufgehaengt, Klamotten gewaschen und geduscht.. Abends war ich dann noch auf einer Pastaparty, die war fuer free, also nichts wie hin, 2 und eine halbe Portion waren flott verdrueckt.
Heute werde ich mich mit Karten, Flickzeug und Snickers eindecken, meinen Haushalt neu sortieren und dann nochmal die erste Koenigsetappe genau studieren. Von Salta nach San Pedro de Atacama sind es 580 km, es geht oefters ueber 4000 m, ich plane 7 oder 8 Tage dafuer ein. Etwas mulmig ist mir schon, aber das wird schon klappen.
Vielleicht werde ich mir noch ein paar Cocablaetter organisieren, ich hoffe, die stehen nicht auf der Dopingliste, sollen aber den Magen beruhigen und alles ertraeglicher machen.
Ich weiss nicht, wie oft ich noch die Moeglichkeit haben werde um ein Internet nutzen zu koennen. Vielleicht war das hier die letzte, das bedeuted, ich werde mich erst wieder in ca. 8 oder 10 Tagen melden koennen wenn alles gut geht..
Hasta pronto..
Coca Gallone

7 Kommentare:

  1. servus coca gallone,

    ei, du hast nen helm, beruhigend!!! alles ganz schön spannend, was du da schreibst. die rote berglandschaft sieht wirklich traumhaft aus.

    puuuhhh, da hatten wir ja alle richtig glück, dass deine kamera noch tolle bilder machen kann!!!

    kleiner tip bevor du deine erste andenetappe beginnst: flickzeug, mega viel wasser und genügend futter in deine radtaschen packen. du weißt nie genau, wo und wann du wieder nachschub bekommst. unvorstellbar für uns hier im kalten deutschland.

    wünsche dir viel spaß sowohl beim hochgeblasen werden als auch beim in die pedalentreten den berg runter. genieße die naturwunder!!

    freue mich schon auf das nächste mal hier in deinem blog und nicht vergessen "UFFBASSE".

    bis die tage...
    petra

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  2. Hallo Simon,
    Cola und Brezelin helfen auch bei Flitzkacke.
    Wünsche dir gute Besserung. Schade, daß wir so lange nichts von dir hören.
    wünsche dir ne schöne Zeit und paß gut auf dich auf.
    Freu mich jetzt schon auf deinen nächsten Bericht und die Fotos.

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  3. Hallo Simon,
    bin fasst jeden Tag auf deine neuen Berichte gespannt. Ich wünsche dir noch viele tolle Erlebnisse und alles Gute.
    Marga N. aus Sinsheim

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  4. Hallo Simon,

    erstmal vielen Dank für Deine Postkarte. Hat mich riesig gefreut. Drück Dich.
    Schaue jeden Tag gespannt auf Deinen Blog um Deine tollen interessanten Berichte zu lesen.

    Bei uns in Leibi war gerade ein "höllen" Faschingsumzug. Wir haben bei einem leckeren Gold Ochsen die zwei mitwirkenden Wägen bejubelt ;-)

    Also pass weiterhin auf Dich und Deine Habseligkeiten auf.

    Liebe Grüße auch von meiner Familie

    Also "neidrabba" und an genügend Wasser denken

    Grüßle
    Dani

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  5. Hallo Simon,
    wir beneiden Dich für diese supertolle Tour und verfolgen alles aufmerksam.Vielen Dank für Deine Karte zu Hermanns Geburtstag,die allerdings erst letzte Woche angekommen ist. Da kann man in Erinnerung schwelgen. Liebe Grüße aus dem
    kalten Heidelberg. Annette und Hermann

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  6. Cocagallone,
    fiebere hier nach wie vor heiß mit dir mit - gerade aus der nähe von chamonix (!) vom boarden heimgekehrt, traumhafter schnee, allerdings bis -30°C! interessanterweise war auch bei diesem skiausflug der kreis ulm mit zwei laupheimern vertreten - ihr scheint mich auf skiern zu verfolgen!

    drück alle daumen für eine gute zeit, bis wir wieder von dir hören,
    uli

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  7. Lieber Simon,
    ich hoffe bei dir läuft alles gut und dass du und dein Rad die Anstrengung gut vertragen.
    Hier im Allgäu fällt ein Jahrhundertschnee. Kaum schaut man ein paar Stunden nicht hin, liegen schon die nächsten 15 cm Schnee auf Auto, Hofeinfahrt und der Straße. Der Gartenzaun ist bald vom Schnee verschluckt, echt der helle Wahnsinn!

    Freu mich, von dir du hören, eingeschneite Grüße aus Isny, Kata

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