Mittwoch, 17. Dezember 2008

Eine Ochsentour gegen die Armut

Simon Galler startet morgen nach Südamerika und fährt dort über 5000 Kilometer auf dem Fahrrad. Für jeden Kilometer soll gespendet werden
Von unserem Redaktionsmitglied Sandra Dambacher - Winterbach.

Über die Anden, wo die Luft dünn ist, und durch das heiße Argentinien will sich Simon Galler (28) mit seinem Drahtesel quälen. Einen Weg aus Elend, Krankheit und Hoffnungslosigkeit will er damit für die Favelakinder aus dem brasilianischen Londrina ebnen. Denn mit jedem Tritt in die Pedale sollen die Spendengelder fließen.

Durch die Liebe kam Simon Galler auf die waghalsige Idee, alleine durch Südamerika zu radeln und daraus eine Benefiztour zu machen. Denn seine Freundin, Katarina Schrade, ist die Tochter von Richard Schrade,dem zweiten Vorsitzenden des Winterbacher Vereins zur Förderung brasilianischer Straßenkinder. Ex-Fußballstar Giovane Elber, der selbst in Londrina (Brasilien) geboren ist, steht an der Spitze dieser Organisation. Seine Heimatstadt ist Start und Ziel von Gallers anstrengender Rundreise, die morgen startet. In die Escola Oficina Pestalozzi (Öffentliche Pestalozzischule) vor Ort sollen die erradelten Spendengelder fließen. Bevor er sich auf den Sattel schwingt, möchte der Abenteurer in diesem Schul- und Ausbildungszentrum mit seiner großen Liebe noch ein paar Tage Luft holen. Katarina Schrade war bereits dreimal dort. Die Sportlehrerin hat mit den Kindern Fußball gespielt. „Die Kleinen sind total fußballverrückt und hauen mit ihren Flip Flops einfach auf den Ball, da fliegt schon mal ein Schuh davon.“ Das ausgelassene Spielen steht aber im krassen Gegensatz zu ihrer Armut. „Die Kinder leben in Favelas, das sind Hütten aus Holz und Blech, einige wenige sind aus Zement. Sie haben werder eine Toilette noch fließend Wasser“, berichtet die junge Frau. Über Bildung soll ihnen der Sprung aus den Slums in die Stadt gelingen. „Auch in Brasilien gibt es Schulen, doch die vermittelte Bildung ist schlecht“, erzählt sie weiter. Die Söhne und Töchter der Armen haben keine Möglichkeit, in die Bildungsanstalten zu kommen, da sie sich kein Busticket leisten können. In die Pestalozzi-Schule am Rande ihrer Favela-Siedlung können sie laufen. Die Schüler lernen Englisch und werden sportlich und musisch gefördert. Jugendliche können über den Berufsschulzweig unter anderem Bäcker, Friseur oder Gärtner lernen. Auch Informatik- und Schreibmaschinenkurse werden angeboten. Diese Kenntnisse reichen schon, um der Armutsfalle zu entkommen. Ein großes Problem ist, dass die hauptberuflichen Lehrer nicht mehr voll vom Staat bezahlt werden. Ein Teil ihrer Gehälter bleibt nun an Giovane Elber und seinem Verein hängen. Die verrückte Radel-Aktion kann jeder unterstützen. Privatpersonen spenden der Schule zwischen einem und zehn Cent pro gefahrenen Kilometer. Dabei kann über einen Web-Blog verfolgt werden, wo der 28-Jährige gerade steckt. Die Tour wird etwa vier Monate dauern.

Anders als deutsche Kinder freuen sich brasilianische auf die Schule
„In Brasilien freuen sich die Kinder, wenn sie eine ordentliche Bildung erhalten, und in Deutschland muss man die Kinder aus den Betten jagen, damit sie in die Schule gehen“, erzählt Galler, der in Heidelberg als Heim- und Jugenderzieher gearbeitet hat. „Dort werde ich die andere Seite erleben.“ Doch ein bisschen mulmig ist ihm jetzt schon. „Es kommt durch heftige Regenfälle in den Anden oft zu Lawinen, die ganze Wege mitreißen.“ Das stundenlange Abstrampeln bergauf war dann umsonst. Rumdrehen, bergab brausen und einen neuen Weg finden ist dann das Tagesziel. Sein Gepäck wird bei der Berg- und Talfahrt mit 30 Kilogramm auch eine ordentliche Belastung sein. Auf Dosenfutter, seine Reiseapotheke und ein Zelt kann er aber nicht verzichten. Dafür wird das schwere Rad schon nicht so schnell geklaut. Wer alleine durch die armen Regionen Südamerikas reist, ist Kriminalität schutzlos ausgeliefert. „Ich habe mein Rad extra ohne tollen Lack und viel Schnickschnack gestalten lassen, damit es keiner haben will.“ Vor Unglück sollen den künftigen Weltenbummler Maskottchen bewahren. Von seiner Tante hat er einen vererbten Rosenkranz bekommen, und seine Liebste hat ihm einen Schutzengel aus Ton gebastelt. Auch gegen die Einsamkeit sollen die kleinen Geschenke helfen und ihm Kraft geben, wenn er an seine Grenzen stößt. Eine Möglichkeit zum Reisen werden die meisten Kinder aus den Armenvierteln in Londrina nie bekommen. Die Grenze ihrer Stadt ist die Grenze ihrer Welt. „Ein kleines Mädchen hat mich gefragt, ob ich wieder mit dem Bus nach Deutschland zurückfahre“, erzählt Katarina Schrade. Ihr Freund kann sich mit dieser Radtour seinen großen Traum vom Weltenbummeln erfüllen. Er möchte den Kindern ein Stück von seinem Glück abgeben, indem er für sie in die Pedale tritt. Um den kleinen Brasilianern eine ordentliche Summe von seiner Reise mitbringen zu können, freut er sich über jeden Sponsor. Bei der Ankunft in Londrina werden einige der Knirpse sofort beschenkt, denn viele von ihnen haben Paten in Deutschland, die Galler Präsente für ihre Schützlinge mitgeben. Katarina Schrade spricht fließend Portugiesisch und übersetzt deren Weihnachtskarten und Briefe. Eine Patenschaft kostet 20 Euro im Monat. damit wird die Ausbildung eines Schülers komplett finanziert. „Was eine Kleinigkeit für uns ist, ist für die Favelakinder ein Riesenglück“, erklärt der Benefiz-Radler.

3 Kommentare:

  1. Heut geht es los mit deinem Traum vom Weltenbummeln. Hut ab!!! Neid!!! Vielleicht bist ja schon ein bissl nervös. Vielleicht bist ja aber noch mit Packen beschäftigt. Auf alle Fälle immer schön in Südamerika in die Pedalen treten, die Kids werden es dir danken. Freu mich schon auf die folgenden Berichte und Bilder. Imma schee uffbasse!!!
    :-)Petra aus HD

    AntwortenLöschen
  2. hola simon!

    heute ist der tag...ich wünsche dir eine spannende reise mit umwerfend herzlichen und hilfsbereiten menschen, atemberaubenden "naturflecken" und vielen von den kleinen, speziellen momenten die eine solche reise ausmachen.

    also dann...vertrau auf dich, nutz die kraft der neugier, rauf aufs rad und let's get the shit goin...der liebe gott paßt auf dich auf!

    richtig geiles ding!

    ich bin gespannt auf deine berichte.

    buena viaje & mucha suerte

    andi, hsg óleóle

    AntwortenLöschen
  3. Simon, Kata, wie läufts? Bin schon sehr gespannt auf die ersten Bilder! Grüße und Küsse aus der Ladenburger!

    AntwortenLöschen