Mittwoch, 14. Januar 2009

Verlass dich auch Sérgio und du bist verlassen (fast)

Von Joinville ging es erst mal ein Stueck als Geisterfahrer die BR 101 Richtung Sueden nach Pomerode, das deutschte Brasilien. Ueber Jaraguá do Sul, dort finde ich den ersten Radweg in Brasilien. In Pomerode wohnen in etwa 15.000 Menschen, mehr als die Haelfte sprechen deutsch. Auf dem Weg dorthin musste ich nur einmal richtig reintreten, eine gesperrte Strasse, bekannt aus Frankreich, kein Hinderniss, es ging nur den Berg etwas steil hoch, kleine Trainingseinheit. Mit dem Wetter hatte ich auch Glueck, kein Regen, kein Gewitter. Von weitem stechen die Plakate zum brasilianisch-bayrischen Fest "Pomerade" ins Auge. Klar ist ein Bergbauer mit Vollbart, Zensi im Dirndl und der Schorsch mit der Mass in der Hand fuer mich hier ungewoehnlich, am Freitag geht es los, aber ohne mich, glaub nicht, dass die ein Franziskaner importieren.

Helma Wagner, sie kommt urspruenglich aus Strass, hat mich schon den ganzen Tag erwartet. Nach einem Bier zur Erfrischung haben wir uns lange unterhalten, spaeter kam noch Rui, ein guter Freund zu Besuch. Er gab mir noch wertvolle Tips fuer die sandige Strecke unterhalb Tramandai.

Nach guter Nacht und einem MEGA-Fruehstueck (2 weichgekochte Eier, vielen Dank Helma) bin ich dann nach Blumenau. Auf dem Weg konnte man sehen, was der Dauerregen (September, Oktober, November) hier alles angerichtet hat. Teilweise sind ganze Berge weggeschwemmt worden, Haueser hat es aus dem "Fundament" gerissen und umgewuerfelt, Strassen wurden unterspuelt und sind an Haengen unauffindbar verschwunden, nur riesige Haeufen von Matsch und Muell sind zu erkennen, dazwischen stinkt totes Vieh, eklig. Auch Blumenau hat es uebel erwischt. Ich kann mich erinnern, das ich vor 6 Wochen im Internet recherchierte, die Aufraumarbeiten in der Region koennen Jahre dauern. So sagte dies zumindest der Buergermeister, vielleicht neigt er auch zu Uebertreibungen. Ganz so schlimm hab ich es nicht empfunden, hab vermutlich auch nicht alles gesehen aber wuerden die Jungs mal ordentlich was schaffen und nicht immer nur im Schatten liegen und Mate Tee trinken wenn ich die Strassen entlang donner, so koennte sich die Situation bald normalisieren.
Die Bilder der Katastrophe begleiten mich bis Gaspar und Brusque. Dort mal schnell einen kleinen Pass naufgeschossen und dann zur Weinprobe eingekehrt. Schnell eine Garaffa Vinho Tinto in die Tasche und bergab Richtung Canelinha.

Ploetzlich hupt es hinter mir. Ein Renault versperrt mir meinen Fahrstreifen, war eh schon genervt, was will der.... Nach dem er erklaerte, er waere selbst ein ciclista haben wir uns mit Haenden und Fuessen ueber Suedamerika unterhalten. Ich hab ihn gefragt, ob er hier einen guenstigen Platz zum schlafen kennt. Er meinte, er habe ein Strandhaus bei Porto Belo, muito bom, dort kann ich hin kommen, es sind aber noch gut 35 Kilometer und es war schon halb acht durch. OK, was wir ausgemacht haben weiss ich nicht mehr, ich fahre einfach weiter und an der naechsten Tankstelle winkt er mit einem Stuhl und ich halte ein. Er versucht mir zu erklaeren, dass hier sind alle seine Freunde und ich blicke in die Runde von abgelebten Genussmenschen mit und ohne Zaehne, aber nett waren sie alle. Er meint ich soll mein Rad hier parken und mit ihm mitfahren. !!! Achtung Alarm "guter Amigo" !!! Was sagte Beto, wenn einer einen auf guten Amigo macht "Vorsicht". Also erklaere ich ihm, das der Vorschlag suboptimal ist, auch wenn sein Kumpel, der mit den Cordjeans und den mundgeblasenen Nike Air Dunk beim Fernseh arbeitet, nicht mit mir, mein Rad bleibt auf keinen Fall hier. Erst mal muss Sérgio sich Vertrauen erarbeiten. Er zeigt mir seine Fotoalben vom Eisklettern in Patagonien, ok, er klettert, trotzdem trau ich ihm nicht und langsam will ich weiter, entweder in sein Casa mit Bicicleta oder eben nicht. Er macht wilde Skizzen wie ich da hin finde und dann verabreden wir uns wieder fuer irgendwo, irgendwann. Keine Ahnung. Ich pedale weiter, am Strassenrand kommt eine Pousada, da kann man stundenweise, fuer 2 Stunden oder die ganze Nacht bleiben, vielleicht kann ich da allein ja gar kein Zimmer nehmen, es sieht auch nicht ganz koscher aus. Weitergschossen. Die Daemmerung bricht ein, ich fahre ueber knochenhartes Kopsteinplaster in Tijucas, da steht Sérgio mit seiner Freundin, er hupt sich fast die Finger blau.

Dann breche ich das Prinzip nachts zu fahren, sogar auf der Autobahn (wer will es mir verbieten). 8 Kilometer Richtung Norden, wenn ich in Porto Belo bin soll ich Sérgio anrufen. Ich mache ja nichts lieber als in Brasilien zu telefonieren. Nachdem ich nach 15 Minuten meine Telefonkarte gefunden hab, mein Cellphone funktioniert nicht, ruf ich ihn an, er geht nicht hin, stattdessen schleicht er auf der Strasse herum. Problema, big Problema,.. Was meint er?!? Chavi a Brusque. Der Schluessel vomBeachhouse ist in Brusque, gute 50 Kilometer entfernt, aber não Problema. Es ist mittlerweile 9.36 pm, langsam hab ich keinen Bock mehr. Ich folge ihm, was auch immer er im Schilde fuehrt und halte Ausschau nach einem Zimmer. Anscheinend macht er das Selbige. Wir fahren durch dunkle Gassen, ich achte darauf, dass ich immer noch einen Fluchtweg hab, es wird immer duesterer und ploetzlich stehen wir vor einem sehr noblem Etablissement. Wait, minute. Please. Ich warte und schieb mir die letzten getrockneten Pfirsiche von der Gruppe 3 (MERCI) rein. It´s full, klaro, es ist Urlaubszeit, da sind alle Brasilianer am Meer. Weiter, ueber markerschuetterndes Kopfsteinpflaster, langsam werde ich ungemuetlich und auch gleichgueltig. Ich ueberlege mir schon, am Strand zu pennen, a bottle Rotwein in der Hand, auf meim Ruecken nur mei Hand! Ausserdem hab ich Hunger, verflixt, Sérgio hin, Sérgio her, Sérgio weg. Wo ist Sérgio? Er telefoniert und meint, er hat ein Room, 3 Kilometer, wieder ueber Kopsteinpflaster, mein Tageskilometerstand zeigt ueber 150 Km an. Also was bleibt mir denn anderes uebrig. Augen auf, und weiter geht das Versteckspiel. An der Jugendherberge angekommen gibt es tatsaechlich einen Platz und Sérgio klaert das alles ab. Mein Rad wird eingesperrt und nach einer Dusche lass ich mich ueberreden, richtig, mit Sérgio noch was Essen zu gehen. Am Meer isst man Fisch, also bestellen wir eine Platte fuer 3 Personen. Begleitet hat uns ueber die ganze Zeit seine Freundin Jaquiline. Nach einem kraeftigen Schluck Cerveja machen wir genau das was wir die letzen 4 Stunden gemacht haben. Wir erzaehlen uns irgendwas und beide nicken interessiert ab, die Haelfte hab ich verstanden und den Rest reim ich mir zusammen. Dann kommt der grosse Hai auf den Tisch und oben drauf krabbelt eine Kuechenschabe, bon appetite. Der Kellner raeumt wieder ab, stellt das Ganze in die Kueche, entschuldigt sich, trinkt mit dem Barkeeper ein Bier und bringt die gleiche Platte wieder. Mal sehen, ob sich das kleine Tierchen unter dem Salatblatt schlafen gelegt hat. Es hat gut geschmeckt und damit ich in Ruhe essen konnte hab ich Sérgio meine Kamera gegeben zum Bilder anschauen. Anschliessend faehrt er mich in mein Hostel, wir tauschen email und ich bin froh, dass ich endlich in mein Loch krabbeln kann. Kein Sérgio mehr, aber um eine grosse Erfahrung reicher. Schnell noch das Moskitonetz aufgehaengt und dann den wohlverdienten Schlaf geschlafen.

Heute schau ich mir die Straende in und um Porto Belo an, Alex meinte, hier waeren mit die schoensten von Brasilien. Tatsaechlich, ich mache mir selbst ein Bild und bin beeindruckt. Praia de Bombas, Praia de Bombinhas, Praia de Quartro Ilhas, wer momentan Lust auf Strandurlaub hat, hier kann man sich wohlfuehlen. Das ist wie ein kleines Paradies, ganz ordentlich besucht auch die Argentinier und die Paraguayaner finden sich hier ein. Nach ein paar Runden am Strand spring ich ins kuehle Nass um mich zu waschen und erfrischen. Am Strand entlang radeln, macht Spass, nossa. Ich amuesiere mich und mache oefters mal Stopp fuer die Fotografen. Nach einem Fruehstueck und einer Traubenfanta werde ich mich langsam wieder zurueckziehen, Richtung Asphalti. Die Ueberlegung, evtl. einen Tag hier zu bleiben und gemuetlich am Strand abhaengen ist schnell entschieden, zuviel Leute, zuviel Hektik, Laerm, nein Danke. Auf nach Florianopolis.


Praia de Bombas

Praia de Bombinhas
Zwei Anmerkungen noch:
1. Bitte entschuldigt Rechtschreibfehler oder Sonstiges, manchmal muss ich die Buchstaben auf einer portugiesichen Tastatur erfuehlen oder richtig reinhaemmern. Das ist echt Stress.
2. Schaut ab und zu mal auf die Seite von der Giovane-Elber-Stiftung. Vielleicht hat ja jemand Lust, im Sommer nach Brasilien zu reisen und moechte auch diesen grossartigen Menschen kennen lernen.
Ate mais, Kaka Gallone

6 Kommentare:

  1. Sehr sehr stark mein Sohn, es bewegt mich sehr, was du so alles schreibst. Du bist sehr weit fortgeschritten in deinem Leben. Pass gut auf dich auf und höre auf deine innere Stimme. Ich begleite dich auf meiner Weise. Du musst kämpfen
    was das sportliche betrifft, du wirst es schon richtig planen.
    Liebe Grüße von Papa

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  2. boah, das hört sich ja schon etwas anders an als der beginn deiner tour ... immer uffbasse mr gallone mit den amigos!!!
    wunderschöne gegend, aber seit wann fährt man mit flippis und freiem oberkörper fahrrad??? hast dich schön eingecremt???
    take care!!!
    petra

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  3. Wollt mich noch für die lieben Geburtstagsgrüße bedanken.

    Lg, Christina

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  4. Hallo meu amigo (diesmal ohne Euphemismus :) Schön, dass Du Bombas besucht hat. Boa sorte - viel Glück bei deiner Reise. Wenn Du was brauchst, sag mir Bescheid.
    Gruss
    Alex

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  5. Hey Simon,
    oh je, das hört sich alles ganz schön spannend und aufregend an. Pass auf Dich auf.
    Ganz liebe Grüße
    Dani
    P.S. Grüße auch von Löwin und Löwe :-)

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  6. hi simon,

    bin immer wieder erstaunt, wie du nach solchen strapazen immer noch motiviert bist so viel und v.a. so viel interessantes zu schreiben!
    mach weiter so, freu mich schon auf fortsetzung!!!
    liebe grüße aus münchen, caro

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